Transparenz in Stahl

Transparenz in Stahl

von Peter Husty, 1995

Das Umschreiten der Objekte und die Erfahrung des Raums, die Berührung der Oberflächen und der damit verbundene Bewegungsimpuls, der die Skulpturen in Schwingungen versetzt, die visuelle Verknüpfung von Flächen und Linien mit dem Licht sind Vorbedingungen für die Begegnungen mit den Stahlskulpturen von Gabriela von Habsburg.
Scheinbar paradox stehen die Leichtigkeit der Formen der Schwere des Materials gegenüber - voll Energie durchdringen die einzelnen Elemente den Raum und schwingen dennoch elegant in lang anhaltenden Bewegungen - abweisend und kalt sind die primären Attribute, die man dem Stahl zuordnen würde - und trotzdem fängt sich das gleißende Sonnenlicht in sanften Linien und malerischen Kurven auf den Oberflächen. Genau hier treffen sich die Prinzipien, die Gabriela von Habsburg beschäftigen: Die Auseinandersetzung mit dem Raum und die Umsetzung ihrer Ideen in ein Material, das sich exakt und präzis zu konstruierten Objekten verbinden lässt.

Nach Abschluss ihres Studiums an der Akademie der Bildenden Künste in München und durch ihre Lehrer Robert Jacobsen und Eduardo Paolozzi beeinflusst, begann Gabriela von Habsburg große Skulpturen in Holz zu fertigen. Die angestrebte Einheitlichkeit des Materials lässt sich jedoch nicht erreichen, wenn im Schaffensprozess die Teile durch Hilfsmaterialien wie Nägel, Nieten und Leim verbunden werden. Über eine "Zwischenphase", in der sie Holz und Metall kombiniert, gelangt Gabriela von Habsburg schließlich zu reinen Stahlobjekten. Die Verbindung durch extreme Hitze, die in der handwerklichen Tradition des Schmiedens steht, stellt deshalb für sie die ideale Arbeitsmethode dar. Die Möglichkeit, durch Schweißnähte präzise Formen und Kanten zu erzeugen, entspricht dem Wunsch nach vollendeten geometrischen Formen.

Relikte dieses künstlerischen Werdegangs zeigen sich noch immer im Arbeitsprozess, an dessen Anfang eine graphische Skizze steht, die dann in eine dreidimensionale Form in Holz -schnell gefertigt und durch Nägel und Leim verbunden-umgesetzt wird. Damit ist ein räumliches Konzept festgelegt, das im nächsten Schritt durch die Bearbeitung des Stahls erweitert wird. Das Zusammenfügen der Rohre und Platten zu Raumkörpern und die Vertiefung in den handwerklichen Prozess des Schweißens lässt in Gabriela von Habsburg bereits künstlerische Konzepte für zukünftige Skulpturen entstehen. Dies setzt sich in der Bearbeitung der Oberfläche fort, ein Schritt, der im Entstehungsprozess die gleiche Rolle spielt wie der erste konstruktive Arbeitsgang. Schon beim Schweißen verfärbt sich der Stahl, werden die Nähte zu rötlich-blauen Narben, die dann später den Bearbeitungsvorgang erahnen lassen. Darüber hinaus erfährt die Oberfläche eine Weiterbehandlung durch erhitzen, das Verwundern, und erhält so teilweise eine schwarze Haut, die als Kontrast neben blank polierten Teilen steht. Mehr noch sind die durch die Flex aufgebrachten Schraffuren wie Lebenslinien, die sich im Lichteinfall - bedingt durch die Bewegung des Betrachters oder des Objekts selbst - ändern: Matt schimmernd ziehen sich bogen- und kreisförmige Flächen über gerade und blitzen lineare Schleifspuren auf gerundeten Teilen.

Und so wirken die Skulpturen auch auf den Betrachter. Nicht allein aus einer Perspektive zeigen sich die Konstellationen, ein Herumgehen, ein wiederholtes Hinschauen, vielleicht ein Durchschreiten, mehr noch ein Durchdringen erschließen die Form: Die Summe verschiedenster Blickwinkel ergibt erst ein Ganzes. Dies wird auch bei den mittel- und kleinformatigen Arbeiten deutlich, denn hier ist es für den Betrachter aufgrund der Dimensionen möglich, selbst neue Ansichten herzustellen: Umgelegt, auf andere Kanten gestellt oder wie bei den Kleinobjekten, die auf spiegelnde Stahlflächen gestellt werden und so eine gleichzeitige Drauf- und Untersicht ermöglichen, entstehen immer wieder neue Ansichten, scheinbar neue Skulpturen.

Zu dieser Ansichtsvielfalt tritt gleichsam als vierte Dimension die Bewegung, die vom Objekt ausgeht, jedoch nicht mit kinetischen Tendenzen in einem Atemzug genannt werden kann. Verbunden mit der Berührung der Oberfläche und dem Umstellen und Verlagern der Skulpturen wird der Impuls des Betrachters in langanhaltende Schwingungen umgesetzt: Bei den großen Objekten durch die Ausdehnung ihrer frei beweglichen Teile; bei den kleineren Arbeiten durch die mitkonzipierten bogen- und kreisförmigen Segmente. In dieser Bewegung schließt sich der Kreis der Betrachtungen, der in einer spiralförmigen Bewegung des Betrachters um die Stahlskulpturen beginnt und sich über die Annäherung an das Objekt bis hin zur Berührung und Erfahrung der Oberfläche fortsetzt und in eine Bewegung der Skulpturen selbst übergeleitet wird, die den Blick bis zum Stillstand auf sich zieht.

Bei den jüngeren Arbeiten zeigt sich eine stärkere Tendenz zu flächigen und gerundeten Formen, die durch den Einsatz von Lochblechen und der vermehrten Verwendung von Stahlrohren erzeugt wird. Das 1994 für das neue MCE-Büro der Voest Alpine Linz entstandene Objekt ist hierfür ein deutliches Beispiel. Hoch aufstrebende Stahlrohre, die mit segelartigen Flächen verbunden sind, stehen im Zentrum des rund angelegten -mitgestalteten- Vorplatzes und betonen die Vertikale. Ein dynamisches Auf- und Vorwärtsstreben wird deutlich und ist im Titel "Phoenix" manifestiert. Ideal verbinden sich die Nachbarschaft des Materials Stahl der Skulpturen mit jenem, das im Produktionsvorgang der Voest-Linz erzeugt wird - ein Faktum, das sich auch in der Anfertigung zeigt: Die 10 Meter hohe Skulptur wurde nach einem Modell Gabriela von Habsburgs in der Voest-Linz hergestellt. Das Material ist den Beschäftigten vertraut, aus der Konfrontation mit moderner Kunst wird eine Begegnung mit Bekanntem.

Bei vielen jüngeren Arbeiten im Werk von Gabriela von Habsburg spielt die Fläche eine größere Rolle und nimmt eine fast gleichwertige Stellung wie die Linie ein: Stahlplatten "füllen" die Räume zwischen Stangen und Rohren und bauen Ebenen auf. Es werden Lochbleche verwendet, die durch ihre Struktur Licht aufnehmen, vom Licht in unterschiedlicher Weise durchdrungen werden und so jede Schwere negieren. Durch übereinander legen verschiedener Lochblechplatten verdichten sich die transparenten Teile, aus unterschiedlichen Blickwinkeln und -entfernungen entsteht eine Fläche. Hinzu kommen die durch Flexen entstandenen Schraffuren, die auf den planen Flächen einen gewölbten, fast geknitterten Effekt entstehen las- sen. So wie die Figuren den Raum um und in sich aufbauen und ihre Umgebung mit Spannung füllen, nehmen sie auch Bezug zu dieser Umgebung: Vertikale scheinen in Beziehung zu Raumkanten zu stehen, Diagonalen muten den Betrachter wie Fluchtlinien an und die gekurvten Linien dazwischen scheinen wie Lochbleche und Stahlplatten Flächen und Ebenen aufzubauen.

Gerade im Bereich der Kapitelhäuser in Salzburg, deren Räume nunmehr -nach der Revitalisierung und Adaptierung, nach Entfernung von Einbauten und Verbauungen- in neuern Glanz der Salzburger Universität zur Verfügung gestellt wurden, stehen die Skulpturen Gabriela von Habsburgs, als wären sie für die Räume konzipiert. In den Gängen und auf den Treppenabsätzen, in den Hallen und vor allem im Hofbereich wirken die Objekte mehr als nur aufgestellt, bereits in die Planung einbezogen - gleich ob sie in ihren Verschränkungen auf Ecken und Kanten der Architektur Bezug nehmen oder mit ihren glatten Flächen als Kontrast vor dem rauen Putz stehen, mit ihren Rundungen Bezüge zu den Arkaden aufbauen oder wie die Festungssilhouette abweisend und schroff und gleichzeitig neugierig lachend zum Himmel aufragen.

Auf diese Weise und in dieser Verbindung verdeutlicht sich noch einmal das Prinzip der Arbeiten Gabriela von Habsburgs - Arbeiten, die zwischen der starren geometrischen Form und der Beweglichkeit und Eleganz des Stahls schwanken, und in ihrer Ästhetik die Spannung von Linien und Flächen und deren Verhältnis zum Raum widerspiegeln.

Peter Husty in dem Katalog der Universität Salzburg, 1995