Wasser und Licht
Elma Zorn
Als Besucher dieser Ausstellung über das Schaffen der Bildhauerin und Grafikerin Gabriela von Habsburg können Sie , auch ohne ihre monumentalen Werke im Original vor Augen zu haben, welche ja über viele Länder verteilt sind: Österreich, Schweiz, Deutschland, in Washington, Georgien, Ungarn, Italien, Russland, Lettland, Mazedonien, Slowenien, Palästina, England und Kasachstan, auch in den kleineren Formen die archetypische Variationsbreite ihrer Raumkörper sich entfalten sehen: durchgehend in einem extremen Kontrast der voluminösen Körper wie Kugel oder Kreisplatte – in sich gewellt modelliert – mit den vektorial spitz und kantig ausgreifenden Stabformen. Bei solch dreidimensionalem Alphabet konstruktivistischer Kleinplastik hat die Künstlerin, mit maximaler Präzision kalkuliert, an den entscheidenden Stellen die Kontrastteile so miteinander verbunden, dass eine bewegliche Lagerung möglich wird, was sonst Kreis und Segment ja nur in zweidimensional geometrischen Konstellationen zulassen würde. Wie die Axialität des plastischen Raumgebildes im Rundum – Blick erfahrbar wird, wie diese Setzungen die Umgebung dominieren, so dass der Kontext des Raumes als ein entweder geschlossener oder als ein freier wahrgenommen wird: diese Generierung eines Raumbewusstseins beim Betrachten der Skulptur liefert eine beliebige Zahl von Raumperspektiven und teilt, gewissermaßen wie eine Raumuhr, die Bilder in zeitliche Abfolgen ein. Als ob die Skulptur gewissermaßen als ein „Pilot – Boot“ des umgebenden Raumvolumens das Schiff auf die hohe See ästhetischer Gesamtwahrnehmung zöge, so vollzieht der Betrachter diesen Vorgang zugleich als Erkenntnis und als Genuss. Es ist daher nur folgerichtig, dass die Kuratorin der Ausstellung im Kunsthaus 7B hier in Michels[1]berg, die promovierte Bukarester Kunstwissenschaftlerin Oana Ionel, die ja auch selber Künstlerin ist – ihren letzten bemerkenswerten Auftritt als Malerin hatte sie unter dem Titel „Secret Stories of Danube River“ in der renommierten Wiener Galerie ART9TEEN im Herbst letzten Jahres – zusammen mit Gabriela von Habsburg kongenial das Experiment wagte, einen Teil der Kleinplastiken so an die Wände der Ausstellungsräume zu applizieren, daß die so entstandenen Schatten ein ganz eigenes perspektivisches Spiel kreieren, wie wir alle dies sehr schön verfolgen können und dabei von dieser ungewohnten Wahrnehmung uns überraschen lassen. Auffällig ist auch, dass es in Gabriela von Habsburgs Formfindung und in ihrer Materialbehandlung der Plastiken bei aller Strenge keinerlei Kälte gibt. Die Qualität ihres Kunstschaffens ist es eben, dass sie – ohne ins Gemütvolle plastischer Figürlichkeit zu verfallen – sich fähig zeigt, starke anthropomorphe Vorstellungen zu evozieren. Der Betrachter findet in ihren Skulpturen Grundmuster menschlichen Maßes wieder. Wie aber schafft die Künstlerin dies in Anbetracht einer so konsequenten Formreduktion in ihren Arbeiten? Denn die Nachvollziehbarkeit einen organischen Körper vor sich zu haben, wird vom harten, glänzenden, ganz und gar unorganischen Material des Edelstahls hergestellt und ist denkbar paradox und überraschend. Die perfekt einheitlichen Oberflächen ihre Werke zeigen sich eben nicht als abweisend, sondern modellierbar. Gleichzeitig legt die hoch kreativ ausbalancierten und neu erfundenen Kombinationen zwischen linearen Strukturen und voluminös ausgefüllten Segmenten der Kreise und Rechtecke eine Vielzahl weiterer Konstruktionsoptionen und damit Organgestalten nahe. Die Fantasie des Betrachters reagiert animiert, weil sie zur virtuellen Ergänzung der Skulpturen aufgefordert ist. Wir haben keine stumpfsinnigen Setzungen vor uns, wie dies so oft bei obrigkeitsgeprägten Denkmalserrichtungen weltweit geschehen ist und das Denkmal als solches in Misskredit gebracht hat. Die geradezu suggestive Teilnahmefähigkeit der Betrachter dieser Skulpturen resultiert letztlich aus der hohen Empathie dieser Künstlerin. Sie schafft offene Kunstwerke, dies im Sinne der Festlegung des italienischen Kultur – Philosophen Umberto Eco, der in den 1960-er Jahren definierte, dass eine der wesentlichen und faszinierenden Qualität eines gelungenen Kunstwerkes darin bestand, dass es über seine vom Künstler angelegten offenen Valenzen das Publikum mitgestaltend einzubeziehen in der Lage sei. Eine solch poetische Werkstruktur ist im zeitgenössischen Kunstbetrieb, der zwischen Live – Style – Anbiederung und elitärer Arroganz hin – und her pendelt, selten zu finden, geschweige denn ist sie so meisterlich herausgearbeitet, wie bei Gabriela von Habsburg finden.
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