Harmonie in Stahl
von Wolfgang Längsfeld, 1998
Gabriela von Habsburg arbeitet seit geraumer Zeit vor allem mit Stahl und Edelstahl. Wohin die ersten Assoziationen auch immer gehen mögen, zur Kunst oder zur Industrie, man kommt zuerst nicht recht klar mit der Vorstellung, dies sei das bevorzugte Material einer Frau. Die Emanzipation ist längst vollzogen. Gabriela von Habsburg hatte sie sicherlich nicht nötig.
Ihre Lehrer an der Münchner Akademie waren zwei gestandene Mannsbilder, zuerst der bedeutende dänische Bildhauer Robert Jacobsen und dann der große Italo-Schotte Sir Eduardo Paolozzi. Beides waren großartige Lehrer, die es verstanden, ihre Studenten nicht zu Nachahmungsschülern, sondern zu eigenständigen Künstlern zu bilden. Gabriela von Habsburg fing mit Holz an und landete bald beim Stahl. Von Schweißen und Flexen versteht sie soviel wie jeder Metallbauer. Das ist ihr so normal wie ihr unterdessen das Schafescheren ist. Das ist ihr wichtig, damit die Kinder Jacken, Pullover und Socken aus einem Material bekommen, das sie direkt mit der Welt und der Natur verbindet, in der sie aufwachsen.
So stellt sich mit zwei, drei Stichworten ganz normal und unaufdringlich eines der großen Themen unser Zeit vor Augen: die Versöhnung von Mensch, Natur und Technik.
Bei Gabriela von Habsburg ist allerdings nichts von irgendwelcher handgestrickter Alternativkünstlerei zu entdecken. Ihre Arbeiten, ob klein, groß oder monumental stehen fest und eigenständig in der Tradition der modernen konstruktivistischen Skulptur. Erich Steingräber hat das im Katalog einer Ausstellung in Bozen 1994 gültig herausgearbeitet.
Etliche Titel der Skulpturen verraten die inhaltlichen Zusammenhänge: etwa Architektur: "Cheops" oder "Pantheon", Mythologie: "Giulietta e Romeo" oder "Castor und Pollux", Mythologie in Verbindung mit Astronomie: "Cassiopeia" oder "Wega", Musik: "Cis- Moll" oder "As-Dur", aber auch der Mensch: "Margarita" oder "Drei Grazien" und die Wissenschaft: "Photon" oder "Kinetit".
In allen eckigen und kantigen Skulpturen herrscht ein aufstrebendes, dynamisch optimistisches Prinzip, vielleicht ein männliches Prinzip. Im anderen Teil der Arbeit kommen runde und gebogene, manchmal gelochte Formen hinzu, vielleicht eher nach dem Prinzip Frau und Natur, und ganz spannend wird es, wenn sich beide Elemente in einer Skulptur begegnen, durchdringen, ergänzen, befruchten.
Harmonie und Eleganz sind allen Skulpturen der Gabriela von Habsburg zu eigen, aber nirgends gibt es so etwas wie Gefälligkeit oder sich anbiedernde Schönheit um ihrer selbst willen. Die Bearbeitung der Oberflächen gibt dem Stahl Leben, oft wirkungsvoll in Kontrast gesetzt zu spiegelglatt polierten Standflächen, in welchen sich die immer vorhandene Bewegungsenergie der Skulpturen reflektiert, bricht und bereichert.
Ebenso wie sich angesichts dieser Skulpturen Begriffe wie Musik, Klang, Harmonie oder Rhythmus wie von selbst einstellen, ist dieses Bewegungspotential allgegenwärtig. Die Dynamik ist sowohl im Statischen wie im Organischen spürbar. Auch in der Formensprache findet die Künstlerin einfache und lesbare Chiffren, etwa wenn sie den Wind in Segelwölbungen fängt und die Skulptur, so fest sie auch stehen mag, auf die Reise schickt.
In diesen unaufdringlich anwesenden Kontexten empfindet der Betrachter der Skulpturen der Gabriela von Habsburg nie Befremden, er entdeckt ein menschliches Maß und natürliche Dimensionen. Das scheinbar so kalte Stahl wird zum handwerklich meisterhaft beherrschten Werkstoff. Die Skulpturen legen uns nahe, dass Gegenwart und Zukunft durch den Menschen sinnvoll und menschlich zu gestalten sind, auch wenn uns der technologische Fortschritt anderes zu verheißen scheint.