Prinzipien dynamischer Raumdurchdringung
von Peter Baum, 1994
Das heute in beachtlicher Bandbreite vorliegende bildhauerische Werk Gabriela von Habsburgs ist Resultat eines komplexen schöpferischen Vorgangs, der auf der Ebene theoretischer und kunstgeschichtlicher Auseinandersetzung ebenso stattfindet wie im Bereich des faktischen Vollzugs und seiner handwerklichen beziehungsweise technologischen Bedingungen.
Die heutige Position der in Bayern lebenden Künstlerin beruht in wichtigen Grundlagen auf den Erkenntnissen der Plastik der Klassischen Moderne, erweitert um jene Einsichten und praxisorientierten Nutzanwendungen, die sie in besonderer Weise bei ihren beiden Lehrern an der Akademie der Bildenden Künste in München, dem kürzlich verstorbenen Dänen Robert Jacobsen und dem Engländer Sir Eduardo Paolozzi gewonnen hat. (Die von Paolozzi 1977 im Rahmen des internationalen "Forum Metall" geschaffene Eisenplastik "Hommage für Anton Bruckner" befindet sich noch heute vor dem Westflügel des Linzer Konzertgebäudes.) Gabriela von Habsburg hat sich mit dem Phänomen Raum ebenso bewußt auseinandergesetzt wie mit den Eigenschaften und gestalterischen Möglichkeiten diverser Materialien, unter denen Stahl und Edelstahl seit längerem dominieren. Ihr ausgeprägtes Interesse gilt dem konstruktivistischen Prinzip autonomer Plastik und jenen spezifischen Fragen dynamischer Raumdurchdringung, wie man sie aus den Arbeiten von Pevsner, Naum Gabo, Lissitzky und dem seit den sechzigerjahren so wesentlichen und einflußreichen Eisenplastiker Anthony Caro her kennt.
In Verbindung mit ihren ureigensten Anlagen hat Gabriela von Habsburg aus dem hier skizzierten Schmelztiegel wichtiger Anregungen und Erfahrungen eine eigenständige, künstlerisch überzeugende Position gewonnen. Ausge- stattet mit dem nötigen technischen Know-how geht die Künstlerin überlegt und zugleich spontan auf die räumlichen Möglichkeiten der Plastik ein und berücksichtigt im Rahmen ihrer vielgestaltigen formalen Absichten die spezifischen Eigenschaften der verwendeten Materialien. Aus diesem kreativen Potential entwickelt sie Arbeiten voll gebändigter Energie und zurückhaltender Eleganz. In ihrer formalen Ausgewogenheit verdeutlichen diese ein universelles räumliches Konzept, welches Lösungen für den Einzelfall vorsieht und nicht auf eine Trademark im Sinne künstlerisch wenig wandlungsfähiger Serienproduktion setzt. Unter diesem maßgebenden Aspekt ihres vielseitigen, kompakten Schaffens der letzten Jahre, das von zahlreichen Ausstellungen begleitet wurde, erweist sich Gabriela von Habsburg auch als Künstlerin einer Zeit, die gewisse Nutzanwendungen a"Js der inzwischen zu Ende gegangenen Postmoderne gezogen hat, ohne sich mit ihr und ihren Versatzstücken zu identifizieren.
Die von der MCE der Voest Alpine in Linz in Auftrag gegebene und jetzt fertiggestellte Großplastik für den Vorplatz des neuen Bürogebäudes ist ein prägnantes Beispiel für Haltung und Umsetzungsvermögen einer Künstlerin, die klug ausgewogene formale Analyse mit deutlichem emotionalen Kalkül verbindet. Ausgehend von einem anschaulichen Modell und unterstützt durch ein ambitioniertes, fachlich erstrangiges Team von Spezialisten konnte Gabriela von Habsburg in einem aufwendigen Arbeitsprozeß, der u. a. Materialauswahl, Schneiden, Walzen, Biegen, Schweißen und Polieren umfaßte, eine präzise artikulierte, den Raum primär vertikal teilende Stahlplastik schaffen, in der formale Kraft und bildhauerische Sensibilität einander die Waage halten.