Skizzen in Stahl
von Wolfgang Längsfeld, 1989
Gabriela von Habsburg -ehemalige Schülerin der Professoren Jacobsen und Paolozzi an der Münchner Akademie- gehört eigentlich zu den konstruktiven Bildhauern der großen Formate. Mit ihren neueren Kleinplastiken, die sie in der Autoren Galerie 1 vorstellt, beschreitet sie einen Weg der Erweiterung ihrer Ausdruckmittel, ohne ihrem Grundprinzip der Konstituierung ihrer Arbeiten aus dem Basisrepertoire der Geometrie untreu zu werden.
Die Öffnung des Konzepts der Kombinationsvielfalt von Konstanten aus dem Fundus elementarer Grundformen in eine Richtung, wie sie seit einiger Zeit etwa in Ingolstadt als neuer Pflegstätte der konkreten Kunst verfolgt wird, bezieht sich wiederum auf Grundprinzipien der bildenden Kunst und ihrer Rezeption. Zuerst wird da der Grundsatz der reinen Farbe, des reinen Materials angegriffen. Die verwendeten Materialien Stahl und Edelstahl werden nicht zur Perfektion hinpoliert, sondern mit Feuer und Flamme verfärbt. Die körperbildenden Elemente sind überdies durch Schweißnähte verbunden, deren schwellende Lebens- nähe sonst gern hinweggeschliffen wird. Das Metall ist nicht mehr bloß neutraler Formträger, es behauptet Leben.
In Erweiterung des visuellen Konzepts und seiner Erlebbarkeit sind die Kleinplastiken für neue Ein- und Ansichten des Raumkörpers auf Spiegelsockel gestellt. Der zweideutige Raum im Spiegelbild nötigt dem Partner des Objekts ungewohnte, eigenes Zutun verlangende Betrachtungshaltungen ab. Auch körperlich. Da die Skulpturen direkt und ohne Abstand auf dem Spiegelglas stehen, verbinden sie sich mit ihrem Bild, ohne die Distanz, die man zum eigenen Spiegelbild zu haben pflegt, hilfreich anzubieten. Eigentlich verborgenes wird einbezogen, aus unten wird oben, die Plastik gewinnt eine Dimension hinzu.
Einige dieser Objekte sind in delikater Balance so konstruiert, dass sie auf ihrer perfekt ebenen, spiegelglatten "Stand"fläche schon bei einer kleinen Berührung in lang anhaltende Bewegung geraten. So beziehen sie das Element Zeit ein, das die klassischen Werke der konstruktiven Kunst nur als geistige Möglichkeit anbieten, ohne wiederum in die Nähe der mobilen geometrischen Kunst zu geraten, der Zeit und Bewegung und Neuordnung der Bausteine das Wichtigste sind.
Gabriela von Habsburg erprobt mit ihren neuen Plastiken vorsichtig und behutsam eine mehrschichtige, unaggressive Emanzipation der elementaren Plastik zum Leben hin. Ihre Auseinandersetzung mit dem Raum bezieht sich folgerichtig nicht auf die Vorläufer und Weggenossen der konstruktiven Kunst, sondern entzündet ihre weiterführende Lust an so polaren Bezugspunkten, wie etwa Leonardo und die afrikanische Kunst sie andeuten.
Die Dynamik des Geistigen und die Ambivalenzen des Sinnlichen treten dem Betrachter nicht behauptend und fordernd gegenüber. Sie suchen, ihn einzubeziehen und den scheinbar verlässlichen Grund des Konkreten zu relativieren, wie es schon der große Einstein gelehrt hat. Das hier vorgestellte Experiment ist sicher noch nicht abgeschlossen.
Aber wenn man diese Arbeiten als Entwürfe, als Skizzen in Stahl versteht, wird man ahnen, wohin die Versuchsanordnung zielt.